2013-07-18

Wir brauchen ein neues ­Wirtschaftssystem!

1) Warum das herrschende Weltwirtschaftssystem zur Zerstörung der ­Lebensgrundlagen für alle  höheren Lebewesen führen muss.
Zu den tragenden Säulen dieses Weltwirtschaftssystems gehören:
a) Freier Kapital- und Warenverkehr
b) Grenzenloser Freihandel
c) Unbegrenztes Wirtschafts­wachstum
d) Gewinnmaximierung
e) Maximale Konkurrenz im Sinne des sogenannten Sozialdarwinismus
(dieser wird von Beobachtungen der Tierwelt abgeleitet, in der sich nur die stärksten Männchen durchsetzen und für Nachwuchs sorgen können. Leider hat man übersehen, dass Tiere ohne Maschinen um die Vorherrschaft kämpfen, die ein Vielfaches der Zerstörungskraft natürlicher Wesen haben).
 
Durch den grenzenlosen Freihandel sind Hochlohnländer gezwungen, mit Niedriglohnländern zu konkurrieren. Das können sie aber nur, wenn sie leistungsfähigere Maschinen haben. Durch den freien Waren- und Kapitalverkehr kann jedoch niemand einen Investor daran hindern, mordernste Maschinen in Niedriglohnländern zu installieren. Das führt zwangsläufig zu einer zunehmenden Automation der Warenproduktion. Will man Massenarbeitslosigkeit vermeiden, muss man immer kurzlebigere Produkte erzeugen.
Folgen dieser Entwicklung sind:
A )Immer höherer Energie-, Raum- und Rohstoffbedarf pro Beschäftigten für den Broterwerb: Für Verkehrs- und Bauflächen werden derzeit in Österreich pro Tag rund 15 Hektar (inklusive Sport- und Abbauflächen ca. 25 Hektar = 250.000 m²) Grünland verbaut.
b) Immer schnellere Sättigung des Marktes, wodurch der Zwang entsteht, in immer kürzeren Abständen überflüssige, sinnlose Dinge kreieren zu müssen, um die leistungsfähigen Produktionseinrichtungen auslasten zu können.
c) Zunehmende Verseuchung der Mitwelt und des Weltraums mit Technikabfällen.
d) Rohstoff-Kriege
 
Letzter Ausweg: Bedarfsweckung durch absichtliche Zerstörung bestehender Werte = Kriege.
Da es auf einem begrenzten Planeten nichts Unbegrenztes geben kann, muss dieser Weg, der zu allem Überfluss auch noch weltweit verbreitet werden soll, zum Ende der Menschheit führen. Diese Meinung vertreten auch viele ernst zu nehmende Wissenschaftler.
Warum brauchen wir überhaupt Menschen? Ich habe Kollegen, die schon seit vielen Jahren dabei sind, diese Frage zu beantworten. Und ihre Antwort lautet: Richtig, wir brauchen keine Menschen. Sie sind der Meinung, wir sollten es zu unserem Forschungsziel machen, die Menschen loszuwerden. (Zitat aus dem Buch: „Computermacht und Gesellschaft“ von Joseph Weizenbaum, einem kritischen Computer-Wissenschaftler, der über 40 Jahre am MIT-Institut gearbeitet hat.)
Welchen Vorgaben müsste ein Wirtschaftssystem genügen, das sieben bis zehn Milliarden Menschen ein menschenwürdiges ­Überleben auf dieser Erde dauerhaft ermöglichen soll?
1)Es soll mit dem geringstmöglichen Aufwand an Energie, Produktionsraum und Rohstoffen einen vertretbaren Wohlstand gewährleisten, ohne die Ökosysteme nachhaltig zu schädigen.
2)Konkurrenz sollte nur anregend wirken (wie das Salz in der Suppe) und nicht in einen regelrechten, weltweiten Wirtschaftskrieg ausarten wie derzeit, der durch die erzwungene Automatisierung immer höhere Überproduktionen schafft, der letzten Endes in einem echten Zerstörungskrieg endet, um wieder neuen Bedarf zu erzeugen.
3)Geld muss auf seine ursprüngliche Funktion als universelles Tauschmittel zurückgeführt werden. Es darf nur so viel Geld im Umlauf sein, wie durch Gegenleistungen in Form von Gütern oder Dienstleistungen vorhanden sind. Der Lebensraum von sieben bis zehn Milliarden Menschen kann kein Casino sein, in dem mit Menschenschicksalen gespielt wird (global player)!
4) Freihandel dürfte es nur zwischen Völkern geben, die unter den gleichen Voraussetzungen arbeiten (örtliche Gegebenheiten, Sozial- und Umweltschutzgesetzgebung etc.). Ein Bergbauer kann niemals mit einer industriellen (bodenzerstörenden) Landwirtschaft in der Ebene konkurrieren.
5) Mit umweltschädlichen Abfällen dürfte kein Außenhandel betrieben werden, wie das heute u.a. mit dem Export von Elektronikschrott nach Afrika oder Indien geschieht. Das erfordert die Produktion langlebiger, reparierbarer Güter.
6) Die Entsorgungskosten für technische Produkte müßten im Kaufpreis enthalten sein. Jeder Staat müßte mit seinen Abfällen selber fertig werden.
7) Es dürften nur technische Verfahren zugelassen werden, die einschließlich ihrer Rückstände versichert werden können (die Nutzung der Atomenergie wäre damit von vornherein nicht möglich
gewesen). Wahrscheinlich würde es auch keine Versicherung wagen, die Kosten für mögliche langfristige Folgen der Gentechnik zu übernehmen.
 
8) Der freie Kapitalverkehr ist abzuschaffen. Erstens, weil er zu Auslagerungen von Produktionsstätten führt, und zweitens, weil große Konzerne auf diesem Weg immer mehr Einfluß auf die Politik des Gastlandes haben.
 
9) Transporte müssten viel höher, entsprechend ihrem Anteil am Klimawandel, besteuert werden. Die Steuerfreiheit von Schiffsdiesel und Kerosin (Flugbenzin) fördert unnötige Überlandtransporte.
10) Die Industrie ist zugunsten der gewerblichen Wirtschaft zurückzudrängen, weil sie pro Beschäftigten viel mehr Energie, Raum und Rohstoffe braucht als Handwerk und Gewerbe und riesige Überschüsse produziert, die die Ökosysteme belasten, ohne den Menschen Glück und Zufriedenheit zu bringen.
Wie kann man diese Ziele erreichen?
 
Dazu müsste die künstliche Bedarfsweckung, die künstliche Obsoleszens (bewusste Lebenszeitverkürzung technischer Produkte) und der weltweite Handel mit gleichartigen Massengütern verboten oder durch Zölle bzw. angemessene Transportsteuern (die auch die Umweltbelastung berücksichtigen) so unattraktiv gemacht werden, dass man freiwillig darauf verzichtet. Technische Erzeugnisse müssten langlebig sein und so konstruiert und gebaut werden, dass sie mit einem vertretbaren Aufwand repariert werden können. Dies müsste durch die Verknüpfung der Mehrwertsteuer mit der Garantiezeit (je kürzer die Garantiezeit, desto höher die Mehrwertsteuer) und der Umlegung der Steuern von der Arbeit zu den Produktionsmitteln zu erreichen sein. Das würde viele dezentrale Arbeitsplätze mit relativ geringer Ausrüstung schaffen und gleichzeitig den Verkehr dezimieren. Zusätzlich würde das Land weniger entvölkert werden. Das alles bedeutet: Was wir in erster Linie brauchen, ist nicht die Energiewende, sondern eine rigorose Geisteswende.
Hans Peter Dürr, der Amtsnachfolger Heisenbergs als Institutsleiter des Max-Planck-Instituts für Physik in München, schreibt in seinem Buch „Das Netz des Physikers“:
In diesem Zusammenhang müssen wir erkennen, dass es in der Energiefrage – ähnlich wie auch bei ökologischen Fragen – eine versorgungsorientierte und eine verträglichkeitsorientierte Strategie gibt. Bei der versorgungsorientierten Strategie betrachtet sich der Mensch ganz selbstverständlich als die „Krönung der Schöpfung“, dem es „natürlich“ zusteht, seine Mitwelt zu seinen vollen Gunsten zu nutzen, besser: „auszubeuten“, um seine immer wachsenden „Bedürfnisse“ – oder sollte man besser sagen: seine ungehemmten Begierden? – zu befriedigen. Je nach der Einstellung dieses Herrenmenschen werden die unterprivilegierten Mitmenschen in größerer und kleinerer Zahl zu dieser auszubeutenden Mitwelt gerechnet.
Bei der verträglichkeitsorientieren Einstellung betrachtet sich der Mensch als Teil eines größeren, empfindlichen und verletzlichen Organismus, der Biosphäre der Erde oder gar der ganzen Erdkruste, in die er auf Gedeih und Verderb eingebettet ist. Wichtig für sein Verhalten ist, was diesem Organismus zugemutet werden kann, ohne ihn ernsthaft zu schädigen. Dies ist eine ökologische Betrachtungsweise, eine Weiterentwicklung des Humanismus! Hier stellen sich Grundfragen: Wie wollen, wie können wir zukünftig leben? Was heißt dabei „wir“? Ist nicht die Menschheit eine einzige Schicksalsgemeinschaft? Verlangt dies nicht eine umfassende Solidarität, die nicht gegen die Natur gerichtet ist, sondern diese mit einbezieht?
Und der Philosoph Hans Jonas schreibt in seinem Buch „Das Prinzip Verantwortung“:
Ein weiterer Aspekt der erforderlichen neuen Ethik der Verantwortung für eine entfernte Zukunft und der Rechtfertigung vor ihr ist der Erwähnung wert: Der Zweifel an der Zulänglichkeit repräsentativer Regierung, nach ihren normalen Grundsätzen und mit ihrem normalen Verfahren den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Denn diesen Grundsätzen und Verfahren gemäß bringen sich nur „gegenwärtige“ Interessen zu Gehör und machen ihr Gewicht geltend und erzwingen Berücksichtigung. Ihnen sind öffentliche Autoritäten Rechenschaft schuldig, und dies ist die Art und Weise, wie die Respektierung von Rechten konkret zustande kommt (im Unterschied zu ihrer abstrakten Anerkennung). Die „Zukunft“ aber ist in keinem Gremium vertreten; sie ist keine Kraft, die ihr Gewicht in die Waagschale werfen kann. Das Nichtexistente hat keine Lobby und die Ungeborenen sind machtlos. Somit hat die ihnen geschuldete Rechenschaft vorerst noch keine politische Realität im gegenwärtigen Entscheidungsprozess hinter sich, und wenn sie sie einfordern kann, sind wir, die Schuldigen, nicht mehr da.
Diese beiden Aussagen sollten Grundlagen für ein neues zu entwickelndes Wirtschaftssystem sein. Ob diese geistige Kehrtwende gelingt, wird von dem Einsatz abhängen, den die Erfinder der „Spiel- und Spaßgesellschaft“ für das Wohl ihrer näheren und ferneren Nachkommen zu bringen bereit sind. Ich denke jedenfalls, dass uns die Natur in den letzten Jahren schon deutlich genug gezeigt hat, daß wir diese Schlacht gegen sie nicht gewinnen können. Ein verantwortungsbewußter Feldherr würde in einer solchen Situation einen geordneten Rückzug einleiten, um die Zahl der Opfer möglichst niedrig zu halten. Und das sollten wir auch tun.
Erschütternd ist für mich, dass den meisten Politikern, Wirtschaftsführern, Universitätsprofessoren sowie führenden Vertretern der diversen Religionsgemeinschaften sehr wohl bewusst ist, dass der derzeitige Weg direkt in die Katastrophe führt, sie aber die Mühe scheuen, gegen den Strom zu schwimmen.
Wie könnte eine solche Geisteswende gelingen?
Als Erstes mussten die Menschen über die Situation, in der wir uns befinden, aufgeklärt werden. Offiziell sind wir zwar eine Demokratie, in Wirklichkeit längst eine Wirtschaftsdiktatur. Ich bin überzeugt, würde ein führender Politiker heute rigorose Änderungen des Wirtschaftssystems fordern, ohne sich eines breiten Rückhalts in der Bevölkerung versichern zu können, wären seine Tage als Politiker sicher gezählt. Daher ist es eine unbedingte Voraussetzung, daß die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung (weltweit) diese Geisteswende fordert und es eben nicht bei der sie versklavenden „Regel“ von Frank Stronach und den Wirtschaftsbossen seines Schlages bleibt, die da lautet: Wer das Geld hat, macht die Regel!
Weiters müssten sich die Universitätsprofessoren dazu bekennen, daß wir diesen Weg nicht ungestraft weitergehen können. Sie müssten den Studenten, den Politikern und den Wirtschaftsführern die tatsächliche Situation offenbaren.
Drittens müssten verantwortungsbewusste Denker mit breitem Horizont ein Rahmenprogramm erstellen, das dann Experten im Detail ausarbeiten müssten.
Dieser ganze Wandel kann sicher nur schrittweise und in kleinen Strukturen, den Nationalstaaten, durchgeführt werden. Megastrukturen wie die EU, die USA oder China sind sicher zu unflexibel, um Fehler schnell genug korrigieren zu können. In dieser Übergangszeit müssten sich Vorläuferstaaten mit Zöllen gegen unfaire Konkurrenz schützen dürfen.
Ich glaube nicht, dass wir noch Zeit für lange Spielereien haben, wenn es uns ein Anliegen ist, daß auch künftige Generationen noch menschenwürdig auf diesem Planeten leben können sollen. Beginnen müssten damit die sogenannten hochentwickelten Industrienationen, die diese trostlose Situation geschaffen haben – also auch wir! Es bleibt zu hoffen, dass weltweit viele Menschen den Ernst der Lage erkennen und bereit sind, ehrlich an diesem Monsterprojekt zu arbeiten.
Halt- und Hilfe gibt dem Wetterbaum sein Wurzelraum. Und wenn des Sturmes Urgewalt den Wipfel brach, treibt durch der Wurzeln Lebenskraft ein Ast empor, ein Wetterwipfel wie zuvor. So kann sein Schicksal jeder überwinden, dem es gelingt, die Hilfe in sich selbst zu finden.
(Quelle: Wegwarte 4/13: Erkenntnisse eines Wegwarte-Lesers aus der Steiermark, gewonnen aus seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Techniker an einer Schnittstelle von Industrie und Forschung.)

1 Kommentar:

Eric Sewell hat gesagt…

Hervorragende Analyse des Status Quo!
Allerdings ist der Wachstumswahn weniger in der 'Befriedigung der ungehemmten Begierden' des Individuums, als vielmehr im ständig (Zins-)Wachstum fordernden Schuldgeldsystem zu suchen. 'Das Geld arbeiten lassen' - viel zu wenige Zeitgenossen hinterfragen diesen Spruch der Geldverleiher und machen fröhlich in deren verbrecherischen Pyramidenspiel mit... Deshalb: Ohne vorherige Reform des Geldsystems kann es niemals wahre Reformen geben!